Press



Badische Zeitung, 27. April 2002
Reißt vom Hocker – rauf auf die Tische
Die Freiburger Rockband Soundedge spielt heute abend auf dem Konzert
»Legends of Pop« im Karlsbau


»Das ganze alte Zeug«, brummt Herwig Vogel auf die Frage, was Soundedge heute abend auf dem Revival-Festival von SWR und Badischer Zeitung im Karlsbau spielen wird. Das kennen junge Leute kaum mehr, brummt er weiter. Zählt Namen auf und wundert sich, dass er irrt. Dann gibt Herwig »Sam« Vogel zu, dass allein »Johnny B. Goode« von Mister RockʼnʼRoll Chuck Berry persönlich seit dreißig Jahren als Zugabe im Programm der Freiburger Rockband ist – »und selbst junge Leute vom Hocker reißt, dass es kracht.«
Hammerhart war das, als Herwig Vogel den Song zum ersten Mal unter der Bettdecke hörte. Die Eltern hätten »abgetobt«, wenn sie gewusst hätten, dass ihr Sohnemann bis drei Uhr nachts Radio Luxemburg hört und hofft, dass es nicht ständig »schschsch« auf der Mittelwelle macht. Aber der Sender war eben der einzige, auf dem richtige Musik lief. In allen anderen dudelten Peter Kraus, Katharina Valente und Freddie Quinn um die Wette. Denn es waren wenige, die auf Rock standen. Was die Jungen heute hören? Gitarrist Vogel muss es als Lehrer am St. Sebastian Kolleg in Stegen wissen. Nun, die richtig gute Musik hören nach wie vor wenige, sagt er. Dafür verkaufe Modern Talking nach dem Comeback 20 Millionen Platten, ganz zu schweigen von den Techno-Leuten. Der Alt-Rocker schaltet dann halt ab, Elektro-Musik pur bekommt ihm nicht.
Millionen Platten hat die 1969 gegründete Band Soundedge nie verkauft. Dennoch war der Schritt zum Profi-Lager nicht weit. Irgendwie hatte es dann am Management gehapert. Und als dann der Organist zu Birth Control wechselte, der Bassist stellvertretender Kurdirektor auf Sylt wurde, warenʼs nur noch drei – und dann »siegte auch bei denen die bürgerliche Hälfte über die der wilden«.
Man studierte. Die Band blieb jedoch bestehen.
Ein Vorteil hat das Dasein als Amateurband, das steht für Vogel fest: »Wir konnten immer die Musik machen, die wir wollten.« Und wenn man das in der Provinz gut macht, dann ist man der »King im Dorf«. Das sei besser, als der kleine Fisch in der Großstadt. Treu blieben sich die Mitglieder von Soundedge ohne große Mühe, als in den 80er-Jahren die Neue Deutsche Welle aufkam. »Wir haben uns geweigert, auf deutsch zu singen.« Herwig Vogel schüttelt sich. Nie hätte er so etwas wie »Ich sehe Sterne am Himmel« über die Lippen gebracht.
Die Konsequenz gab es einmal prompt in Gummersbach, als Soundedge auf einem SWF-Festival vor 50 000 Menschen spielte. »Damals war BAP gerade angesagt«, erinnert sich »Sam«. So fiel der Applaus für die Rocker mäßig aus – ein neues Gefühl, denn bislang waren sie es gewohnt gewesen, »dass spätestens beim dritten Lied alles auf den Tischen tanzte.« den schärfsten Auftritt hatte Soundedge übrigens auf einem Schiff während ihrer dreieinhalbwöchigen Griechenland-Tournee. »Die Überfahrt hätte samt dem ganzen Equipment damals an die 15 000 Mark gekostet.« So viel Geld war nicht aufzutreiben, also nahm die Reederei die Band-Mitglieder, die Roadys, die Anlage umsonst mit – Bedingung war ein Rock-Abend an Bord. Ob er etwas anderes machen würde, wenn er heute noch mal als junger Musiker durchstarten könnte? Herwig Vogel schüttelt den Kopf. Wenn man von der Musik leben will, muss man sich verkaufen können – und seine Band wollte lieber Musik machen. Der einzige Deutschrocker, bei dem er sich mit auf die Bühne stellen würde, ist Peter Maffay: »Aber der hat schon einen guten Gitarristen.« Ach, einen anderen Schreihals mit einer guten Band gebe es noch, den Grönemeyer.
Heute abend wird im Karlsbau Kai Kienast das Mikrophon in der Hand halten, wenn die Mittfünfziger von Soundedge los rocken mit dem »ganzen alten Zeug«: Beatles, Eagles, Südstaatenrock – kennt heute aber eh keiner mehr.



Badische Zeitung, 29. April 2002
»So viele alte Freunde«
»Legends of Pop«:
Ausverkaufter Saal im Karlsbau –
Wiedersehen mit Soundedge und G-Men


Jahrgänge dieseits der 70er begegneten einem kaum. Auf Beat- und Soulrhythmen rockten am Samstagabend im Karlsbau nämlich die, die nur gönnerhaft lächeln, wenn sich ihre Kinder in Schlaghosen quetschen, Stones hören und Africola trinken, weilʼs wieder cool ist. Mehr als tausend wahre Fans der »Legends of Pop« feierten bis tief in die Nacht und waren dabei – wie Stargast Dave Dee versicherte – »so sexy«.
Es war halb neun am Samstagabend. »I feel good« sang der Frontmann der SWR 1-Allstars drinnen im Saal, doch der Mann an der Kasse sah das anders. Ein Überredungskünstler nach dem anderen ging zum Angriff über. »Schluss, aus, es kommt keiner mehr rein«, wies der Kassierer den Türsteher an, der einer mit der Hüfte wackelnden Mittvierzigerin erklärte, dass der Saal »rappelvoll« sei – die Veranstaltung von SWR 1 und der Badischen Zeitung war ausverkauft.
So konnten einige nicht feststellen, dass Toast Hawaii immer noch schmeckt, auch wenn man heute weiß, dass die Kombination Ananas und gebruzelter Käse ungesund ist. Für sie gab es kein Wiedersehen mit den Prilblumen und den Diskokugeln. Dafür mussten sie auch nicht wehmütig seufzen, als Dave Dee sich mit englischem Akzent aus den Sixties zurückmeldet und bei »Xanadu« die Peitsche wirbelt, als ob er nie etwas anderes gemacht hätte. Hilde Beyer aus der Ortenau, die bereits auf ihrem Stuhl tanzt und immer noch »Last night in Soho« auswendig kann, strahlt. Sie freut sich vor allem auf die Band Soundedge, die sie »vor einigen Jahrhunderten« mal im Freiburger Jugendhaus gesehen hat.
Es ist andächtig still, als Soundedge dann kurz darauf »Hotel California« spielen – für Kai Kienast »die Hymne der 70er«. Unisono singt ein Pärchen mit geschlossenen Augen mit. Ein Rocker in Lederjacke holt für »Turn the page« von Bob Seger schnell die Ohrstöpsel heraus. Auf die obligatorische Zugabe »Johnny B. Good« wird richtig gerockt – auch wenn das Wasser seit halb elf ausverkauft ist.
Er ist überwältigt, wie viele alte Freunde die Band noch hat, begrüßt der G-Men-Sänger die Menge im Saal: »Jetzt macht die Augen zu und stellt euch vor wir sind im Fuchsbau«. Rund dreißig Jahre stand die Formation nicht mehr gemeinsam auf der Bühne. Ein Mann im schnieken Anzug kommt in den Saal geeilt. Im Vorraum gebe es das reinste Klassentreffen, jetzt müsse er aber mal tanzen. Das macht er dann auch auf der »Route 66«. So gegen halb zwei gehen den G-Men die Lieder und die Puste aus. Das Publikum interessiert das nicht. Also gibtʼs noch »Tutti Frutti« und »Itʼs all right now« – was gar nicht stimmt. Denn Redakteure der Badischen Zeitung haben Feuer gefangen. Und Pläne für den Herbst geschmiedet, mit mehreren Bands aus der Region. phi